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Autorin Hilal Sezgin im Interview

Hilal Sezgin
Hilal Sezgin Bild: Helen Macfarlane

Hilal Sezgin ist Schriftstellerin, Mitglied des Liberal-Islamischen Bundes, Frauenrechtlerin - und Veganerin.
Für Vegpool hat sie ein paar Fragen beantwortet.

Vegpool: Hallo Frau Sezgin, Sie beschäftigen sich viel mit dem Islam, mit Feminismus - und mit Fragen zum Umgang mit Tieren. Was haben die Themen gemeinsam? Wie sind Sie dazu gekommen?

Hilal Sezgin: Ich weiß gar nicht genau, ob diese Themen so viel miteinander gemeinsam haben, bzw. ob ihnen dieselbe Motivation zugrunde liegt. Ich bin als Muslimin geboren (und lebe in einer islamfeindlichen und generell fremdenfeindlichen Gesellschaft), wurde von meinen Eltern schon als Kind darauf vorbereitet, dass Mädchen und Frauen es besonders schwer haben in eben dieser Gesellschaft, und wuchs in einer sehr tierlieben Familie auf (während alle drumherum Fleisch aßen). Später habe ich Philosophie studiert und all diese drei Interessen auch theoretisch vertieft: Multikulturalismus, Feminismus, Tierethik. Als Journalistin habe ich sie dann beibehalten – nach wie vor sind alle drei sehr wichtig.

Vegpool: Erinnern Sie sich an einem Moment, wo sie gefühlt haben: Da muss sich was im Umgang mit Tieren ändern?

Hilal Sezgin: Ach, solche Momente gibt es tausende… und dann geht doch alles weiter wie zuvor, und man selbst macht meist auch weiter wie zuvor. Wir sind ja so stark geprägt von dieser tierausnutzenden Denke, man kann sich wieder und wieder bei Dingen ertappen, bei Unrecht, das einem bisher gar nicht richtig aufgefallen ist. Es scheint ja das Brutalste noch ganz „normal“ zu sein. Ich weiß aber, wann ich Vegetarierin wurde, da war ich 13 und hatte einen Nachmittag Kühe gezeichnet. Doch selbst das hielt nicht lange vor, mir fiel der Verzicht auf Fleisch sehr schwer, es dauerte dann noch ein, zwei Jahre, bis ich dauerhaft vegetarisch lebte (und meine Familie ebenfalls).

Vegpool: Sie selbst leben zusammen mit vielen Tieren auf einer Art Lebenshof in der Lüneburger Heide. Wie ist es dazu gekommen und wie kann man sich das vorstellen?

Hilal Sezgin: Das war eigentlich komplett unbeabsichtigt. Ich bin vor sechs Jahren zwar absichtlich aufs Land gezogen, aber ich wollte halt vor allem die Natur, den Blick, die Weite des Himmels – und auch gerne Kontakt mit etwa Tieren der Nachbarn. Dass ich selber so viele Tiere haben würde, war überhaupt nicht eingeplant! Aber dann habe ich eine kleine Schafherde von den Nachbarn übernommen (na ja, klein – immerhin 40) und habe jedes Jahr einige Hühner aus der Legefarm geholt… Ein Gänsepaar geerbt…

"Wie eine Mischung aus Bullerbü und Daktari"

Hilal Sezgin
Foto: Helen Macfarlane
Wenn's gut läuft, stell ich es mir vor wie eine Mischung aus Bullerbü und Daktari: einerseits sehr idyllisch, andererseits sind auch oft welche krank, da musste ich Stadtmensch plötzlich lernen, mit Spritzen und Klauenschere rumzuhantieren. An schlechteren Tagen und vor allem wenn der Winter sehr kalt ist, ist es allerdings etwas mühsam… Na ja, jedenfalls sind wir zusammen gewachsen, die Schafe und ich. Weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr, wie ich mal in der Stadt und ohne Schafe leben konnte.

Vegpool: Finden Sie da überhaupt noch die Zeit, zu schreiben?

Hilal Sezgin: Aber klar! Als Freiberuflerin muss man sich den Tag ja eh selbst einteilen, und man braucht auch Pausen. Ich hab ja keine Kollegen, mit denen ich mal einen Schwatz halten könnte. Also geh ich zu den Tieren oder in den Wald. Das Einzige, wofür ich keine Zeit bzw. wozu ich keine Möglichkeit habe: reisen. Ich kann hier nicht weg. Für kurze Fahrten habe ich Schafsitter, aber länger mag ich die Tiere, für die ich ja verantwortlich bin, nicht aus den Augen lassen.

Vegpool: Sie sind selbst Veganerin - wie fühlen Sie sich dabei und wie reagieren Ihre Mitmenschen?

Hilal Sezgin: Meine Mitmenschen… Nun, es wird ja zum Glück immer normaler. Vor zwanzig Jahren musste man noch erklären, warum um aller Welt man Vegetarierin war. Heute weiß jedes Kind, was ein Veganer ist, und warum. Es war halt lange Zeit doch recht einsam – hier in der Nähe kannte ich erst mal niemanden, der auch vegan lebte. Erst durch mein letztes Buch („Landleben“), indem ich von meinem Umzug hierher und von meinen Tieren erzähle, änderte sich das.

"Man kann den Tieren so einfach besser in die Augen sehen."

Buch "Landleben"
von Hilal Sezgin

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Ich bekam Zuschriften von Veganern aus Hamburg und Hannover, habe mich mit etlichen angefreundet. Es kommen sogar Leute und helfen beim Reparieren der Zäune! Aber was mich selbst angeht, nur so für mich: Bin heilfroh, dass ich den Schritt dann vor paar Jahren (aber nach bereits 25 Jahren Vegetarismus) endlich vollzogen habe. Alles andere war doch… einfach nicht konsequent genug, nicht durchdacht. Klar, wir leben trotzdem alle in einer tierquälerischen Gesellschaft und profitieren von ihr. Aber das mit dem Essen hat man (anders als das mit der Medizin) weitgehend in der Hand. Man kann den Tieren so einfach besser in die Augen sehen.

Vegpool: Vielen Dank für das Interview!


Hilal Sezgin im Internet: hilalsezgin.de

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Autor: Redaktion

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