Welche Argumente für Veganismus sind stark, welche sind schwach?09.06.2018In Debatten zwischen Veganern und Nicht-Veganern ist mir aufgefallen, dass es Unmengen an Argumenten für den Verzicht gibt, diese aber stets als gleichwertig gegenüber stehen. Da ich glaube, dass dem nicht so ist, möchte ich hier versuchen die bekanntesten Argumente zu ordnen und zu bewerten. Es soll dabei nicht entschieden werden ob die Argumente korrekt sind, sondern viel mehr darum welche Konsequenz das Argument letztlich zur Folge hat.
Zunächst macht es aus meiner Sicht Sinn, die bekanntesten Argumente zu Gruppen zusammenzufassen. Die ökologische, ethische und die gesundheitliche Gruppe. Alle anderen Argumente, wie zum Beispiel religiöse Argumente, sind nur partiell relevant, d.h. sie betreffen nicht alle Menschen und sind daher in der Debatte unzulässig.
Sind diese Gruppen jetzt alle gleichwertig zu behandeln? Nein. Ich beginne mit der meiner Ansicht nach schwächsten Argumentationsgruppe - Gesundheit. Es gibt viele verschiedene Studien die nahe legen, dass die vegetarische und vegane Ernährungsweise u.U. gesünder sind. „Gesund“ und „ungesund“ sind Begriffe die nur auf Ernährungsweisen angewendet werden können. Auch wenn man alltäglich von „ungesunder“ Schokolade spricht, ist der Konsum einer Tafel Schokolade für den menschlichen Körper ohne Wirkung. Es gibt auch keine unmessbare Wirkung, sondern keine. Das Gleiche gilt für Milch, Honig und Fleisch. Auch wenn ein hoher Anteil von rotem Fleisch in der Diät krebserregend wirkt, ist dies kein Argument dafür kein Fleisch zu essen. Es ist nur ein Argument dafür, weniger Fleisch zu essen. Die krebserregende Wirkung ergibt sich nur aus der Menge.
Anders sieht es bei der Gruppe ethischen Argumente aus. Moral ist zwar ein auf subjektiven Empfindungen aufgebautes System, welches aber begründet werden kann. Außerdem gibt es eine große Ähnlichkeit zwischen menschlichen, ethischen Empfindungen. Das Tiere keine Objekte moralischer Handlung sein können ist eine Meinung, die, falls sie den Anspruch erhebt gerechtfertigt zu sein, zunächst begründet werden muss. Im Normalfall lässt sich Tiertötung aus Geschmackslust nicht logisch konsistent rechtfertigen.
Außerdem ist Moral für dessen Inhaber universell gültig. Wenn man zu dem Schluss kommt, dass Tiertötung aus Geschmackslust unethisch ist, reicht es nicht mehr nur wenig Fleisch zu essen. Argumente wie „dann esse ich nur Biofleisch“ oder „ich kaufe nur von Fleisch von glücklichen Tieren“ sind ungültig. Denn „es gibt kein richtiges Leben im falschen“(Adorno).
Die letzte Gruppe der ökologischen Argumente ist nicht zwingend stärker als die Ethischen. Sie ist zwar nicht subjektiv, teilt die Problematik der Gesundheitsargumentation. Auch hier gilt; weniger Fleischkonsum ist vertretbar, es bedarf keines Veganismus. Der große Vorteil dieses Argumentationsstranges ist aber die enorme Faktenlage. Kennt man sich ein wenig mit der Thematik aus, besitzt man schnell unwiderlegbare Fakten gegen hohen Fleischkonsum. Klimawandel und Biodiversität sind die Grundpfeiler dieser Argumentation.
Abschließend möchte ich festhalten, dass die ethischen und ökologischen Argumente in der Debatte zunächst genannt und diskutiert werden sollten. Im Unterschied zu Diskursen sind Debatten zeitlich beschränkt, eine Reduzierung auf die stärksten Argumente ist also durchaus empfehlenswert. Die gesundheitlichen Argumente bieten zu wenig klare Fakten und Studienbashing hat nur sehr wenig Überzeugungskraft. Die Gedanken „Milch stärkt die Knochen“ und „Fleisch gibt Lebenskraft“ sind in der deutschen Gesellschaft stark verfestigt und dadurch nur schwer zu überwinden.
Auch sollte man bedenken, dass der einzige Argumentationsstrang, der Veganismus zur Folge hat, der ethische ist.
PS: Alle Veganer, die dies primär aus gesundheitlichen Gründen sind, sollten sich davon nicht angegriffen fühlen. Ich möchte die gesundheitlichen Argumente nicht schlecht reden, sondern bloß darauf hinweisen welche Konsequenz daraus folgt, wenn man sie in die Debatte einbringt.
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09.06.2018Danke Mokiscrofa,
Das ist mal wieder eine sehr scharfsinnige Analyse.
Ich würde allerdings nicht von "Verzicht" sprechen, sondern von ethischer Entscheidung. Ich sage ja auch nicht: "ich verzichte darauf, Menschen, die ich nicht leiden kann, zu erschlagen" oder "ich verzichte darauf, Menschen zu vergewaltigen, wenn mich die Lust überkommt" oder "ich verzichte darauf, mir im Supermarkt das zu nehmen, was ich brauche, ohne zu bezahlen".
Vegan zu leben ist für mich sowohl eine utilitaristische als auch eine deontologische ethische Entscheidung, bei der mir nichts fehlt, das ich in irgendeiner Weise suplementieren müsste.
vegan2.993 Postsmännlich35708 HaigerLevel 4Supporter
09.06.2018Danke Euch beiden, sehr gut argumentiert.
09.06.2018@Biophile
Danke für das Feedback, ich wollte mit dem Begriff "Verzicht" keinerlei Selbstkasteiung suggerieren, sondern nur das "Nicht-Konsumieren von Tierprodukten" bezeichnen.
23 PostsmännlichRhein-NeckarLevel 2
14.06.2018Interessante Betrachtung.
Meinst Du mit "Argumente" nun Gründe für sich selbst, oder Gründe in einer Diskussion?
Bei letzterem ist es gut zu berücksichtigen, welche Argumente für den/die Gegenüber besonders eingängig sind.
Beispielsweise kann das Artensterben - also das unwiderbringliche Aussterben ganzer Spezies - das beste Argument sein - weil seine Folgen einige Millionen Jahre dauern (das ist etwa die Zeit, bis sich neue Arten entwickeln).
Jedoch ist dieser Zusammenhang nicht so direkt und abstrakter und bleibt bei anderen eher nicht so hängen. Das direkt damit verbundene Leid der nicht-menschlichen Tiere ist wahrscheinlich besser einprägsam. Hiermit sind auch eher konkrete Bilder verbunden, und es gibt zahlreiche pädagogische/psychologische Studien die zeigen, dass Menschen dies besser verarbeiten als z.B.Text.
Banane
23 PostsmännlichRhein-NeckarLevel 2
15.06.2018Ok, ich verstehe.
Ich stimme Dir zu, dass es da Unterschiede gibt und ich verstehe Deinen Ansatz.
Die Frage ist interssant. Leider komme ich bei Betrachtung dazu, dass ich diese Frage, welches ein besseres Argument ist, gar nicht beantworten kann.
Ich könnte die Argumente nicht in "bessere" oder "schlechtere" einsortieren, da das davon abhängt, wie man diese wertet - dafür ist das ganze Thema mir zu komplex.
Ist es nun schlimmer, wenn eine gewisse Anzahl "Nutz"Tiere (schreckliches Wort!) die ganzen Qualen durchleidet - oder eine unbekannte Insektenart ausstirbt?
Ich weiss es nicht.
Ich weiss nur, dass beides schrecklich ist und jedes für sich allein genommen ein Grund ist vegan zu leben.
Lieben Gruß,
Banane
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