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Ärzte: Wenig Wissen zur veganen Kinder-Ernährung

Verzweifelter Arzt
Viele Ärzte-Meinungen über vegane Ernährung sind fachlich nicht fundiert. Bild: Fotolia.com (bearb.)

Immer mal wieder melden sich in den Medien Ärzte zu Wort, um vor Gesundheitsgefahren durch eine vegane Kinder-Ernährung zu warnen. Manche mahnen zur Vorsicht, andere schöpfen gleich aus dem Vollen und diskreditieren vegane Eltern als Unmenschen, die das Kindeswohl bewusst gefährden wollten.

Die Aussage, dass vegane Ernährung Kindern schadet, schockt natürlich besonders jene Eltern, die sich liebevoll um ihre Kinder kümmern und ihnen die beste Ernährung angedeihen lassen möchten. Die sich aus guten Gründen dafür entschieden haben, ihre Kinder vegan zu ernähren.
Klar, dass junge Eltern sich von solchen Aussagen irritieren lassen. Ein Arzt muss es ja schließlich wissen!

Ärzte sind in Ernährungsfragen leider (meist) keine Fachleute.

Der Glaube in die Kompetenz der Ärzte ist beim Thema Ernährung oft trügerisch. Denn in Deutschland wird die Ernährung im Medizin-Studium nur am Rande behandelt. Ein junger Mediziner hat nach seiner Ausbildung mit etwas Glück gelernt, dass bei Gicht eine proteinarme Kost ohne Fleisch helfen kann. Sehr viel mehr aber auch nicht.

Aus dem Grund sollte man sich bei Ernährungsfragen an Fachleute mit entsprechender Qualifikation wenden. An staatlich geprüfte Ernährungsberater oder Ernährungsmediziner, zum Beispiel. Wer sich mit Ernährungsfragen an einen Arzt ohne entsprechende Qualifikation wendet, könnte ebenso gut seinen Schuster befragen.
Das Problem ist nur, dass viele Ärzte nicht zugeben möchten, dass sie zu dem Thema kaum mehr als eine eigene Überzeugung haben.

Vegan-Vorurteile sind oft regelrecht absurd.

Das Thema vegane Ernährung ist gesellschaftlich sehr umstritten, da es fundamentale Fragen (u.a.) zum Umgang mit Tieren stellt. Hier prallen Gewohnheit und der Wunsch nach Veränderung oft aufeinander. Viele Medien nutzen das große Reichweite-Potential von "Vegan" und veröffentlichen kontroverse Vegan-Artikel, um Klicks zu erzielen.

Oft handelt es sich dabei nicht nur um fahrlässiges Halbwissen, sondern um echten, hanebüchenen Unsinn.

Ein Baby mit Mutter und Vater
Vegane Ernährung ist auch für Kinder möglich. Bild: Fotolia.com

Vor einiger Zeit konnte man im Netz zahlreiche Artikel über ein vegan ernährtes Kleinkind lesen, das schwerkrank in eine Klinik eingeliefert werden musste. Wie erst durch genauere Recherche bekannt wurde, hatte das Kind einen angeborenen Herzfehler - die vegane Ernährung war in dem Fall gar nicht relevant. Der Zusammenhang mit der veganen Ernährung wurde von klickhungrigen Medien regelrecht konstruiert. Auch auf Kosten der Familie des Kindes, die in der Situation sicherlich andere Sorgen hatten, als sich gegen haltlose Vorwürfe zu wehren.

Nur wenige Medien haben eine Korrektur oder Richtigstellung veröffentlicht. Siehe hier z. B. die Richtigstellung des ORF, die leider nur auf der Facebook-Seite veröffentlicht wurde.

Ärzte sollten mehr über Ernährung lernen.

Eigentlich ist es sehr schade, dass die Ernährung im Medizin-Studium so kurz kommt. Denn eine pflanzliche Ernährung kann überzeugende Vorteile bei der Prävention und Heilung bestimmter Erkrankungen haben. Siehe auch die Dokumentation Gabel statt Skalpell. Etwa 70% aller tödlichen Fälle von Zivilisationserkrankungen (darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall und einige Krebsarten) können mit einer falschen, nicht-veganen Ernährung in Verbindung gebracht werden.

Eine fundierte, vegane Ernährung hat also durchaus großes Potential - und wird in Zukunft noch sehr viel wichtiger werden. Es gibt zum Thema vegane Ernährung bereits einen intensiven, wissenschaftlichen Austausch. Unter anderem auf dem Fachkongress VegMed.

Gute Beratung bieten Ernährungsmediziner
Viele Ärzte raten sogar zu einer fundierten, veganen Ernährung. Bild: Fotolia.com

Ärzte ohne Zusatz-Qualifikation zur Ernährung sollten verpflichtet werden, dies bei Fragen klar zur Kenntnis zu stellen.
Sie sollten ihre Patienten darauf hinweisen, dass sie zu diesem Thema einzig eine Laien-Meinung ausdrücken können. Andernfalls droht eine Vermischung von Wissenschaft und Laien-Wissen, die der Patient nicht durchschauen kann.

Wer als Arzt aus Stolz auf diese Transparenz verzichtet, und sein Erfahrungswissen als Fachmeinung äußert (und das tut ein Arzt, der in seiner beruflichen Tätigkeit Patienten zu fachfremden Themen berät), schadet dem Berufsbild der Ärzte und setzt die Gesundheit seiner Patienten aufs Spiel.

Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Patienten von einer fachlich fundierten Ernährungsberatung absehen, weil sie sich (irrtümlich) bereits gut beraten fühlen.

Ärzte sollten es besser wissen!

Medizin-Studenten lernen bereits zu Beginn ihres Studiums, dass Wissenschaft auf Evidenz basiert. Also auf Fakten und kausalen Zusammenhängen. Sie lernen in den ersten Semestern, dass Vorurteile und Alltagswissen bewusst und ständig hinterfragt werden müssen, um Fehler zu vermeiden.

Ärzte, die gegen diese wissenschaftlichen Prinzipien verstoßen und sich ohne Zusatz-Qualifikation in den Medien zu Ernährungsthemen äußern, handeln vorsätzlich zum Schaden ihrer Patienten. Sie nutzen die Kontroverse rund um die vegane Ernährung für eigene Zecke aus und behindern so eine fachlich fundierte, wissenschaftliche Bearbeitung des Themas, die im Sinne der Gesellschaft wäre.

Medien stehen hierbei ebenfalls in der Verantwortung und sollten das Thema vegane Ernährung daher mit besonderer Sorgfalt bearbeiten.

Salat mit Avocado und Beeren
Vegane Ernährung kann so vielfältig und richtig gesund sein. Bild: Fotolia.com

Vorurteile schaden auch veganen Kindern.

Populismus verunsichert nicht nur vegane Eltern, die sich fundiert mit der Ernährung ihres Kindes auseinandergesetzt haben (es gibt hierzu wissenschaftliche Empfehlungen, u.a. von der großen, amerikanischen Ernährungs-Organisation ADA). Vorurteile schaden auch all jenen Menschen, die die präventiven Vorteile einer veganen Ernährung aufgrund von diffusen Ängsten ablehnen - und dadurch Lebensqualität und Lebenszeit verlieren.

Nicht zuletzt kann eine Veröffentlichung von Vorurteilen über vegane Ernährung auch zu einer Abstumpfung bei den vegan lebenden Familien führen - sodass mögliche, echte Erkenntnisse im Wirbel der Vorurteile untergehen.

Jede Fehlernährung bei Kindern muss vermieden werden!

Leider kam es in der Vergangenheit auch zu krassen Fällen von Fehlernährung bei Kindern in veganen Familien. In den meisten Fällen waren die Eltern psychisch krank und/oder sind einer Ideologie gefolgt, die nur zufällig rein pflanzlich war (z. B. bei einer strengen makrobiotischen Ernährung ohne Muttermilch). Es gibt zum Glück sehr wenige solcher Fälle - doch jeder einzelne ist einer zu viel!

Diese Fälle sind traurig - und vermeidbar. Wer seine Kinder tatsächlich falsch ernährt - egal ob vegan oder nicht-vegan - sollte unbedingt zu einer fachlichen Beratung verpflichtet werden.
Die hitzige und oft völlig realitätsferne Diskussion über vegane Ernährung von Kleinkindern lenkt aber auch von einem zahlenmäßig viel größeren Problem ab: Von der Fehlernährung nicht-veganer Kinder.

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Statt sich über vegane Kinder-Ernährung künstlich aufzuregen, sollten sich Experten darum bemühen, auch den nicht-vegan fehlernährten Kindern (und dazu gehört bereits Übergewicht) Hilfe zukommen zu lassen - anstatt die Problematik als "Verwahrlosung" abzutun. Übergewicht bei Kindern ist praktisch immer eine Folge schwerer Fehlernährung und hat im späteren Alter oft massive Gesundheitsprobleme zur Folge.

Verantwortungsbewusste Eltern - vegan und nicht-vegan - lassen das Wohl ihrer Kinder regelmäßig vom Arzt überprüfen. Die meisten vegan lebenden, verantwortungsbewussten Familien sind schon aufgrund der vielen Vorurteile extrem sensibilisiert. Es ist für sie selbstverständlich, das Wohl ihrer Kinder regelmäßig mit einem Arzt und Ernährungsberater zu besprechen.

Dabei zeigt sich zum Glück in den allermeisten Fällen, dass es (fundiert ernährten) veganen Kindern an nichts mangelt. Beste Voraussetzungen für ein langes und gesundes Leben.

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AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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