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Faktencheck: Enthält Kuhmilch wirklich Eiter?

Ist wirklich Eiter in Kuhmilch? Unser Faktencheck zeigt: Ja, meistens! Bild: Fotolia.com

Kuhmilch soll Eiter aus entzündeten Eutern enthalten, so lautet ein Gerücht. Und der steckt dann auch in Joghurt, Quark und Milchschokolade...

Besonders aber in Käse und Butter, wegen der Konzentration der Milch.

Eine solche Aussage kann einem schon den Appetit verderben – wer isst schon gerne Eiter-Sekrete aus entzündeten Kuh-Zitzen?

Doch ist wirklich etwas wahr am Gerücht über Eiter in der Kuhmilch?

Wir machen den Faktencheck anhand öffentlich verfügbarer, von uns unabhängiger Quellen, darunter auch landwirtschaftliche Fachliteratur. Ihr könnt also sämtliche Quellen selbst überprüfen. Stand des Artikels ist der 24.05.2023.

Die wichtigsten Fakten zum Eiter in Kuhmilch vorab:

  • Jeder handelsübliche Liter Kuhmilch enthält Spuren von Eiter.
  • Bei Eiter handelt es sich um eine Mischung aus körpereigenen Zellen, Erregerzellen und Gewebe.
  • Eiter in Kuhmilch stammt in der Regel aus entzündeten Eutern (Mastitis), eine der häufigsten Erkrankungen und Todesursachen in Milchbetrieben.
  • Da Milch von vielen Rindern gesammelt und vermischt wird, enthält handelsübliche Kuhmilch praktisch immer Spuren von Eiter. Es genügt dabei schon, wenn nur ein paar Tiere im Betrieb entzündete, eiterige Euter haben.
  • Eiter in Kuhmilch ist in geringen Mengen nicht gesundheitsschädlich - allerdings auch nicht appetitlich.

Was ist eigentlich Eiter?

Wenn ein Erreger in den Körper eines Säugetieres eindringt, beginnen die körpereigenen Abwehrzellen (Leukozyten) ihn anzugreifen und "aufzufressen". Damit versucht der Körper, den Eindringling unschädlich zu machen - und zwar meist sehr erfolgreich.

Dieser Vorgang des Immunsystems wird als "Phagozytose" bezeichnet. [1] Eiter zeigt also, dass das Immunsystem einen Erreger abwehrt.

Bei einer starken Infektion und übermäßiger Phagozytose verklumpen die aktivierten Abwehrzellen – und werden als Eiter sichtbar [2][3]. Es kann zum Beispiel an einer entzündeten Wunde ein Ausfluss entstehen. "Eiter" ist dabei der umgangssprachliche Begriff. In der Medizin spricht man von "Pus" [4].

Melkstand
Melkstand in einem Milchbetrieb. Bild: Felagund

Eiter ist also ein Mix aus Erregerzellen und Abwehrzellen. Die Zahl der Erreger- und Abwehrzellen lässt klare Rückschlüsse auf das Vorhandensein von Eiter in Milch zu, bei dem es sich ja um eine Mischung aus Erreger- und Abwehrzellen handelt. Auch, wenn nicht explizit auf "Eiter" untersucht wird (da es ein Laienbegriff ist).

Wichtig: Eiter in Kuhmilch lässt nicht pauschal Rückschlüsse darüber zu, ob die Milch gesund oder schädlich ist. Eiter kann Zeichen dafür sein, dass ein Erreger vom Immunsystem bekämpft wird. Erreger können aber auch ohne Eiterbildung vorhanden sein.

Eiter in Kuhmilch bedeutet also in erster Linie, dass es Entzündungen im Kuhstall gibt.

Wieso eitern die entzündeten Euter der Kühe?

In großen Ställen mit 50, 100 oder sogar 1.000 Rindern ist es normal, dass die Tiere in Berührung mit ihrem eigenen Kot kommen. Je kleiner der Raum, auf dem sich die Tiere bewegen können, desto höher das Risiko. Das Risiko einer Infektion - und einer eiterigen Entzündung - ist daher in der intensiven Tierhaltung per se erhöht. [5][6]

Rinder in der Milchindustrie erzeugten im Jahr 2022 statistisch knapp 8.500 Kilo Milch.[7] Dementsprechend riesig sind die Euter der Hochleistungsrassen ("Qualzüchtungen"). Die Zitzen der Tiere kommen häufiger in Kontakt mit verunreinigtem Boden. Kot und Erreger können in die sogenannten "Strichkanäle" (Zitzen) eindringen, insbesondere, wenn die Tiere ganztägig im Stall stehen. Es entstehen Entzündungen.

Auch Bio-Betriebe setzen Hochleistungsrassen ein. Da Bio-Betriebe strengere Haltungsstandards haben, zugleich aber Medikamente zurückhaltender einsetzen, ist das Mastitis-Risiko in Bio-Betrieben vergleichbar hoch. [8]

Konkrete Zahlen über die Verbreitung von Mastitis lassen sich zwar schwer finden. In Hessen war Mastitis im Jahr 1996 jedoch mit 19,4% die zweithäufigste Abgangsursache für Milchkühe. "Abgang" bedeutet, dass die Tiere geschlachtet wurden. [9]

Diese Zahlen können sich extrem stark unterscheiden. In manch einem Betrieb kann sogar mehr als die Hälfte der Tiere eine eiterige Euterentzündung haben. [10] Landwirte bezeichnen Tiere mit Euterentzündung übrigens als "Mastitiden".

Ein Kalb trinkt bei seiner Mutter
Ein Kalb trinkt bei seiner Mutter Bild: mariusgabi / Adobe Stock

Eiter-Infektionen durch Melken

Durch das maschinelle Melken können Verletzungen am Euter auftreten und die Zitzen wund werden. Über kleine Wunden können Erreger ins Euter eindringen. Dies kann zu einer so genannten Mastitis, also Euterentzündung, führen – in manchen Fällen mit hohem Fieber und klar erkennbarem Eiter-Austritt.

Manche Rinder verlieren durch Entzündungen sogar ganze Euter-Viertel (Landwirte sprechen hier von "Strichen"). Bei einer "dreistrichigen" Kuh ist ein Euterviertel abgestorben - in der Regel nach einer intensiven, langfristigen und nicht wirksam behandelten Entzündung.

Eine beginnende Mastitis ist für den Milchwirt nicht immer sofort erkennbar, sodass vielfach auch Kühe mit einer versteckten Mastitis ("subklinische Mastitis" [11]) gemolken werden und große Mengen an Erregern in den Milchtank gelangen.

Um einer Euterentzündung vorzubeugen oder diese zu behandeln, verwenden Milchwirte Desinfektionsmittel, oft auch Antibiotika, und sind bedacht auf hohe, hygienische Standards. Die Behandlung erfolgt allerdings stets unter Abwägung der Kosten.

Der Grund: Eine zu hohe Keimbelastung, die durch die so genannte Milch-Güteverordnung festgelegt wird, kann negativen Einfluss auf den Milchpreis haben, den der Milchbauer erhält. [12]

Höchstmengen an Eiter in Kuhmilch

Durch eine tierärztliche Untersuchung kann eine Mastitis erkannt und die Kuh entsprechend ausgesondert und behandelt - oder "gemerzt" (also getötet) - werden. (Fachbegriffe der Milchindustrie, die Verbraucher nicht kennen).

Die Zellzahl wird in der Molkerei nicht pro Tier ermittelt. Zum Einsatz kommt vielmehr ein "geometrisches Mittel" über mehrere Monate, sodass eine einzelne an Mastitis erkrankte Kuh nicht unbedingt auffällt. Selbst dann, wenn aufgrund einer Entzündung sichtbar Eiter aus ihrem Euter austritt und in den Milchtank gelangt.

Kuhmilch muss in Deutschland vor dem Verkauf pasteurisiert werden. Eine Ausnahme gilt für so genannte Vorzugsmilch. Durch die Erhitzung werden Bakterien und viele Erreger abgetötet, sodass die Gefahr einer Infektion durch den Milch-Konsum unwahrscheinlich ist. Kuhmilch ist aufgrund der intensiven Verarbeitung kein "Naturprodukt" mehr.

Eiter wird dadurch jedoch nicht aufgelöst oder entfernt, sondern nur inaktiviert. Auch pasteurisierte Milch enthält also Spuren von Eiter.

Eiter in der Milch? Die Milch-Güteverordnung regelt's

Erreger unter dem Elektronenmikroskop
Erreger unter dem Elektronenmikroskop Bild: NIAID Bildtitel: Staphylococcus aureus Bacteria, CC-BY

Die Milch-Güteverordnung, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erlassen wird, definiert Qualitätsklassen für Kuhmilch. Zur Klassifizierung werden regelmäßig Keimzahlen, Hemmstoffe (zum Beispiel Medikamente), "somatische Zellen" (siehe oben), sowie weitere Werte in der Milch ermittelt. Für höhere Qualität erhält der Milchwirt von der Molkerei mehr Geld [13].

In Milch der Klasse 1 dürfen gemäß der Milchgüteverordnung (MilchGütV) 1980 (letzte Änderung: 2010 [14]) 100.000 Keime pro ccm Kuhmilch (bei 30° Celsius) enthalten sein. Wenn bei der Kontrolle mehr Keime gefunden werden, bekommt die Milch die Klasse 2. [15][16]

Bei somatischen Zellen, zu denen auch die körpereigenen Abwehrzellen des Eiters gehören, liegt der Grenzwert bei 400.000 pro ccm – also das Vierfache der Erregerzellen - und zwar über alle Qualitätsklassen hinweg. [17]

Der physiologische Normalwertbereich liegt dabei rasseunabhängig bei 20.000 bis maximal 100.000 Zellen/ml Milch. [18] Was darüber liegt, deutet auf Krankheit hin.

Die Kontrollen müssen vom Milcherzeuger zweimal im Monat durchgeführt werden. [16]

Eiter ist in Kuhmilch - trotz Grenzwerten

Auch wenn die Grenzwerte streng sind und die Milch vor dem Verkauf pasteurisiert wird, kann man davon ausgehen, dass jeder Liter Kuhmilch Spuren von Eiter enthält. Nicht gesundheitsschädlich, aber in der Tat eklig.

Die Antwort auf die Frage, ob Kuhmilch Eiter enthält lautet daher: "In den meisten Fällen schon".

Dass der WDR einen eigenen "Faktencheck" zu Eiter in Kuhmilch mit dem Ergebnis "unbelegt" veröffentlicht hat [19], ändert an der ziemlich deutlichen Faktenlage leider auch nichts. Wir wissen nicht, wie die Redaktion auf das Ergebnis kommt, wo die Faktenlage ziemlich eindeutig ist (siehe Quellenbelege).

Eiter in Kuhmilch? 3 unbewiesene Behauptungen!

Zusätzlich zu den oben genannten und durch externe Quellen gestützten Informationen gibt es weitere Behauptungen über Eiter in Kuhmilch, die sich schwer belegen lassen. Dazu zählen diese:

  • Behauptung: Manche Landwirte "verdünnen" besonders stark belastete Milch mit weniger stark belasteter Milch (ggf. auch von Nachbarbetrieben), um die durchschnittliche Keimzahl zu verringern. Faktencheck: Hier sind keine statistischen Untersuchungen vorhanden, da ein solches Vorgehen an der Grenze zur Kriminalität wäre und Landwirte mit Konsequenzen zu rechnen hätten.
  • Behauptung: Jeder Milchbetrieb in Deutschland hat Probleme mit Mastitis. Faktencheck: Nicht nachweisbar, da hierzu jeder einzelne Betrieb überprüft werden müsste. Stichprobenartige Untersuchungen haben aber gezeigt, dass Mastitis sehr verbreitet ist und zu den häufigsten Todesursachen von "Milchkühen" gehört.
  • Behauptung: Relevant ist nur die Zahl der Keimzellen zum Zeitpunkt der Milchabgabe in der Molkerei, nicht aber die Zahl der Keime zum Zeitpunkt des Verkaufs (Vermehrung von Keimen). Faktencheck: Das ist korrekt.

Haferdrink ist übrigens eine klimafreundliche Milchalternative. Erfahrt hier die Vorteile von Hafermilch gegenüber Kuhmilch.

Der Artikel wurde am 10.5.2023 überarbeitet und aktualisiert.

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Eiter in Kuhmilch
Letzter Beitrag: 24.05.2023, von kilian.

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AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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