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Gemüse fermentieren - ein Selbstversuch

Fermentiertes Gemüse
Gemüse lässt sich einfach selbst fermentieren. Bild: pixabay.com

Dinge selbst zu machen, wie in früheren Zeiten - das ist total im Trend. Tatsächlich fühlt es sich beruhigend an, sich auf eine Sache zu konzentrieren und Statistiken, News-Meldungen und Stress einfachzu vergessen. Kein Wunder dass Do-It-Yourself-Projekte (DIY) so beliebt sind. Urban Gardening, Stricken, oder eben Gemüse fermentieren.

Viele Bücher und auch Blogs sind in den letzten Jahren zum Thema Gemüse-Fermentation erschienen. Natürlich hat die Fermentation nicht unbedingt mit veganer Ernährung zu tun - aber sie ist durchaus vegan möglich und soll dazu sehr gesund sein. Außerdem passt sie gut zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil.
Ein Grund für mich, einen Selbstversuch zu starten und einmal selbst Gemüse zu fermentieren.

Fermentation bezeichnet einen biologischen Prozess mit Mikroorganismen. Man kennt sie von Soja-Joghurt, Tempeh, Sauerteig und natürlich von Sauerkraut. Auch nicht-vegane Produkte wie Salami und Käse werden fermentiert.

Aber Gemüse in der eigenen Küche fermentieren - das muss doch sicher sehr aufwendig und kompliziert sein, dachte ich. Schließlich hat man es mit lebenden Mikroorganismen zu tun. Mit Keimen und allem. Das assoziiere ich schnell mit Coli-Bakterien, Schimmel und Co. Brauche ich für die Fermentation sterile Laborbedingungen in meiner Küche?

Fermentation soll auch ohne Labor funktionieren

Ein Buch über die Fermentation von Gemüse (s.u.) nimmt mir allerdings meine Zweifel. Fermentation sei kinderleicht, wenn man sich an ein paar Grundregeln hält. Auch Schimmel und Co seien kein echtes Problem.

Mein erstes Fermentations-Buch
Mein erstes Fermentations-Buch Bild: K/Vegpool

Man braucht zum Fermentieren im eigenen Haushalt nur ein Glas und ein brauchbares Gewicht, um das Gemüse ins Salzwasser zu drücken. Salzwasser verschafft den erwünschten Bakterien einen Vorsprung - und durch die Bildung der Milchsäure werden unerwünschte Keime abgetötet. Die Milchsäurebakterien sorgen praktisch selbst für die nötigen Bedingungen. Soweit die Theorie. Mehr über die Grundlagen der Fermentation.

Bildergalerie meines Fermentations-Versuches

Doch ob die Fermentation auch in der Praxis klappt?
Das habe ich 7 Tage lang ausprobiert.

Gemüse fermentieren - Tagebuch

Mein Gärbehälter war ein altes Gurkenglas. Als Gewicht habe ich den Deckel eines kleineren Einmachglases verwendet. Als Gemüse habe ich mich spontan für eine Mischung aus Zucchini, Karotten und Zwiebeln entschieden. Einfach, weil "Mixed Pickles" in meinem Fermentations-Buch so lecker aussehen.

Das Gemüse habe ich gemäß Anleitung in Streifen geschnitten und ins Glas gegeben. Aufgefüllt habe ich mit etwa 3-prozentigem Salzwasser. Anschließend habe ich das Gewicht aufs Gemüse gelegt, damit es unter Wasser gedrückt wird und keinen Kontakt zu Sauerstoff erhält. Fertig war die Vorbereitung.

Gegen die eigenen Widerstände

Diese Mischung sollte nun einfach mal 1-2 Wochen stehen bleiben. Bei Zimmertemperatur. Der Deckel nur leicht aufgelegt, damit CO2 entweichen kann.
Alle meine bisherigen Kenntnisse über Lebensmittel-Aufbewahrung sprachen sich dagegen aus. Das kann doch nur schlecht werden!

Aber Fermentation ist ja gerade eine Art der Zersetzung. Nur eben eine gewünschte Art, die das Gemüse sogar besser verdaulich machen soll. Fermentiertes Gemüse soll mehr Vitamine und Enzyme enthalten als frisches Gemüse. Auch Vitamin B12 (aktives und inaktives) soll bisweilen nachweisbar sein. Verlassen würde ich mich darauf aber nicht.


Vorteile der Fermentation

Fermentation hat es den Menschen schon früher ermöglicht, Gemüse länger aufzubewahren. Kühlschränke oder Sauerkonserven gab es ja nicht. Sauerkraut, also fermentierter Weißkohl, hat die früheren Seefahrer vor Skorbut bewahrt. Ohne Fermentation hätte Columbus womöglich nie Amerika erreicht. Überdies versicherte mir mein Buch, dass man bei Fermentation eigentlich nichts falsch machen könne - sofern man sich an die Grundregeln hält.

Doch trotz der vielseitig angepriesenen Vorteile der Fermentation ist mein Gefühl etwas mau. Was, wenn sich eben nicht nur die Milchsäurebakterien vermehren, sondern auch Schimmel und Hefe? Wenn eine "zweite Gärung" einsetzt? Wenn ich statt Gesundheit und Wohlbefinden eine Lebensmittelvergiftung ernte?

Mikroorganismen und die Sorgen vor Krankheiten

Zum Glück wurden genau diese Sorgen im Buch ausführlich behandelt. Auch ein Biologe kam zu Wort. Wer auf Nummer sicher gehen wolle, der solle einfach einen Säure-Test durchführen. Ein pH-Wert unter 4 stelle sicher, dass das fermentierte Gemüse genießbar sei. Also gleich ein Päckchen pH-Streifen im Netz bestellt (ca. 4 Euro inkl. Versand für 100 Streifen).

Mein Gemüse gärte unterdessen vor sich hin. In den ersten beiden Tagen wurde das Wasser langsam trüb, später auch etwas gelblich. Es bildete sich auf der Oberfläche zudem eine "Kahmhaut", also ein trüber, unappetitlicher Film. Aber Wegschütten kam nicht in Frage, denn laut Literatur ist das ganz normal. Fermentation, darauf war ich bereits vorbereitet, stellt einige unserer Angewohnheiten in Frage.

"Kahmhaut" - nur ein Oberflächenproblem?

Tatsächlich sei es nur ein "Oberflächenproblem", sagen die Fermentations-Begeisterten. Die Kahmhaut (inklusive kleiner, weißer Schimmelflecken) könne einfach abgeschöpft (oder sogar untergemischt) werden. Durch die Milchsäure hätten unerwünschte Erreger und ihre Gifte keine Chance. Sogar Botulinumtoxin könne durch Milchsäure zersetzt werden, las ich. Wichtig sei nur, dass das Ferment pH 4 oder weniger habe.
Ich habe mich fürs Abschöpfen entschieden und habe die Kahmhaut mit etwas Küchenpapier aufgesaugt. Anschließend habe ich die Flüssigkeit wieder mit Wasser aufgefüllt. damit keine Luft ans Gemüse kommt.

Klassische Gärtöpfe haben eine Wasserrinne, die den Deckelrand aufnimmt und es ermöglicht, dass CO2 von innen entweichen kann, während Sauerstoff ausgeschlossen wird. Dann müsse das Gemüse nicht unter Wasser gedrückt werden, heißt es.

Am 7. Tag ist die Schöpfung abgeschlossen. Zumindest reißt allmählich mein Geduldsfaden. Theoretisch könnte mein Gemüse noch mehrere Wochen vor sich hingären. Es würde dabei immer saurer und allmählich weicher. Aber eine Woche sollte für einen Test genügen.

Sicher ist sicher: Der pH-Test!

Also schnell einen pH-Teststreifen gezückt und in die gelblich-trübe Brühe getaucht. Der Wert liegt bei 3-4. Offenbar hat die Fermentation bestens geklappt. Ich entnehme ein Stückchen Zucchini und wasche es erst einmal gründlich unter fließendem Wasser ab. Eigentlich nicht notwendig, aber es ist ein komisches Gefühl... die ganzen Bakterien! Und wer weiß, was sonst noch. Je weniger man sieht, umso größer ist bekanntlich die Sorge!


Ich stelle mich aufs Schlimmste ein und denke schon daran, das ganze Gemüse im Klo zu entsorgen. Doch es riecht, wie es laut Buch reichen soll. Säuerlich, aber nicht faulig oder moderig. Der Geruchs- und pH-Test nehmen mir die größten Sorgen. Mental bereite ich mich schon mal auf den ersten Bissen vor. Es ist definitiv mehr Mutprobe als Appetit.

Jetzt wird das fermentierte Gemüse probiert!

Das Stück Zucchini, das ich zuerst probiere, schmeckt fast neutral säuerlich. So wie Sauerkraut. Jedenfalls deutlich appetitlicher als erwartet oder gar befürchtet. Nur das leichte Aroma der Zwiebeln, das nun auch am Gemüse wahrnehmbar ist, stört etwas.

Der Karotte merkt man kaum an, dass sie eine Woche lang vergoren wurde. Sie ist immer noch sehr knackig und schmeckt, abgesehen vom milchsauren Geschmack, ganz normal.
Interessanter Weise schmecken die Zwiebelstückchen selbst besser als ihr Geruch es erahnen ließe. Sie sind ebenfalls noch leicht knackig, haben ihre Schärfe aber verloren. Da sie den Geschmack der Milchsäure beeinflussen, lasse ich sie nächstes mal aber weg.

Fazit zum milchsauren Fermentations-Versuch

Ich bin überrascht, wie leicht es war und dass es gleich geklappt hat. In den letzten Tagen habe ich mich intensiver mit der Fermentation beschäftigt - auch mit den Risiken. Die "Kahmhaut" mit all ihren nicht näher erkennbaren Lebensformen ist ein echter Ekelfaktor. Aber das Gemüse war durchaus genießbar. Ich mag es gern auf würzig belegtem Brot.

Fermentiertes Gemüse auf würzig bestrichenem Brot
Fermentiertes Gemüse auf würzig bestrichenem Brot Bild: K/Vegpool

Offenbar gilt die Fermentation aber als eine der sichersten Methoden, Gemüse haltbar zu machen. Wer seine Sinne nutzt und sich an die Grundregeln der Fermentation hält, könne fast nichts falsch machen, heißt es in meinem Buch. Viele weitere Quellen haben das bestätigt.

Kann man wiederholen

Ich denke, ich werde ab und zu erneut Gemüse fermentieren - vielleicht auch mal Hülsenfrüchte. Fermentierte Lebensmittel sollen ja viel verdaulicher und reich an gesunden Nährstoffen sein. Bestens vorbereitet also, für die eigenen, mikrobiellen Verdauungsprozesse, die ja ebenfalls auf Fermentation basieren.

Es hat mich überrascht, wie leicht alles ging. Die pH-Teststreifen habe ich ja noch auf Vorrat und viel Aufwand ist es ja nicht. Ich werde auch mal probieren, wie fermentiertes Gemüse gekocht und gebraten schmeckt. Der Geschmack soll sehr angenehm sein.

Haben Sie schon eigene Erfahrungen mit selbst fermentiertem Gemüse gemacht? Dann hinterlassen Sie doch einen Kommentar!

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4,8/5 Sterne (26 Bew.)
AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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