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Sind Schock-Vergleiche eigentlich sinnvoll?

Junges Schwein
Schweinehaltung sieht oft deutlich schlimmer aus. Bild: liz west, flickr.com Bildtitel: this little piggy, CC-BY

Wer kennt sie nicht, die Vergleiche zwischen Tierhaltung und Sklaverei, zwischen Arbeitslagern und Schweinemast? Sie tauchen in der Diskussion über die Tierhaltung immer wieder auf. Und regelmäßig endet eine solche Diskussion mit einem Streit darüber, ob man solche Vergleiche überhaupt nutzen dürfe. Ob diese Vergleiche menschliches Leid verharmlosten, oder ob das Verbot solcher Vergleiche vielmehr das Leid der Tiere relativiert.

Kurz gesagt: Diese Art von Vergleichen bietet beste Voraussetzungen, um eine sachliche Diskussion über das Leid der Tiere auf einen Nebenschauplatz zu lenken - ein klassisches Whataboutism, in dem letztendlich vor allem über Sprachstil und Diskussionsnormen gesprochen wird.

Schock-Vergleiche werden typischerweise angeführt, um aufzuzeigen, dass ein bereits von der Gesellschaft überwundenes Gewaltsystem einem (vermeintlich?) ähnlichen Gewaltsystem gleicht, welches jedoch in einer Kultur akzeptiert, verdrängt oder abstrahiert wird.

Schweinemast = Schweine-KZ?

Industrielle Tierhaltungen weisen zweifelsohne frappierende, strukturelle Parallelen zu anderen Gewaltsystemen auf - auch wenn sie sich natürlich in ebenso vielen Punkten unterscheiden. Die Tatsache, dass sich Tierhaltungen sehr konsequent vor der Öffentlichkeit abschotten, zeigt, dass offenbar auch Tierhalter eine offene und konkrete Diskussion darüber vermeiden möchten. Dieser Industrie geht's ganz offensichtlich am Besten, wenn Verbraucher möglichst wenig über sie erfahren.

Dennoch - oder deshalb - ist eine Diskussion über dieses Thema anhand von Schock-Vergleichen oft weder sinnvoll, noch fruchtbar.

Die Motivation von Tierschützern, Gräueltaten gegenüber Menschen und Tieren miteinander zu vergleichen, ist es, Leid nachvollziehbarer zu machen. Umso empörender fühlt es sich an, wenn der Diskussionspartner einem vorwirft, zu dramatisieren oder menschliches Leid zu verharmlosen. Man könne ja das Leid von Tieren in der Mast nicht mit dem Leid von Menschen in Arbeitslagern vergleichen, heißt es oft.

Strukturen vergleichen

Und in der Tat lässt sich Leid verschiedener Opfer einfach nicht vergleichen.
Strukturen und Prinzipien hingegen durchaus.

Es ist in der Tat schwierig, eine empathische Debatte über Gewaltsysteme zu führen, die in der Öffentlichkeit allenfalls abstrakt wahrgenommen, zumeist aber völlig ausgeblendet werden. Insbesondere dann, wenn sie persönliche Gewohnheiten betreffen und die "Schuld" oder Ursache nicht bei einer Drittpartei zu finden ist. Emotionalisierende Schock-Vergleiche bieten sich da vermeintlich ganz gut an.

Bloß: Missverständnisse sind hier vorprogrammiert - und geübte Rabulisten werden es dann besonders leicht haben, mit verbalen "Nazi"- und "Menschenhasser"-Keulen um sich zu schlagen, die weder der Wahrheit entsprechen noch der Aussage gelten - sondern allein dem Ziel, den Diskussionspartner sozial in Misskredit zu ziehen. Wer mag schon Nazis?

Womöglich ist es hier zielführender, die Verdrängung selbst zu thematisieren - und die Ideologie hinter dem Fleischessen. Dass die Tierhaltung im Verborgenen stattfindet - und kritische Journalisten praktisch nur noch "undercover" an authentische Bilder vom Umgang mit Tieren gelangen. Dass Tierschutz dennoch als Staatsziel im Grundgesetz steht und daher schon von Rechts wegen umgesetzt werden müsste. Dass das Marketing für Tierprodukte allenfalls fröhliche Tiere zeigt, während die Zustände in der Realität ganz anders aussehen.

Strukturelle Vergleiche zwischen Gewaltsystemen haben also durchaus eine gewisse, sachliche Berechtigung, bieten zugleich aber auch große Einfallstore für rufschädigende und auf die Person ausgerichtete Angriffe, die natürlich selbst bloß dazu dienen, vom Hauptthema abzulenken. Deshalb macht es Sinn, emotionalisierende Schock-Vergleiche gründlich zu hinterfragen.

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AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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