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Lesetipp: Schweinebande! Der Fleischreport

Cover von "Schweinebande! Der Fleischreport"
Cover von "Schweinebande! Der Fleischreport" Bild: K/Vegpool

Wann hatten Sie das letzte Mal Lust auf wässerige Wurst aus Gammelfleisch, gefärbt und stabilisiert mit Chemikalien? Ist schon länger her? Dann dürfte Ihnen das Buch "Schweinebande! Der Fleischreport" gefallen. Denn es liefert einen Blick in die widerwärtigen Geschäftspraktiken der Fleischindustrie. Doch falls Sie gerne weiterhin Fleisch essen möchten, sollten Sie das Buch besser meiden!
Lesen Sie hier die Rezension zum Buch "Schweinebande! Der Fleischreport" von Franz Josef Voll.

Als Franz Josef Voll gegen Ende der 1960-er Jahre eine Metzger-Ausbildung durchlief, war er sich sicher, dass dies ein Job mit Zukunft sei. Ein guter, ehrlicher Handwerker-Job, mit Berufsehre und allem Drum und Dran.


Schlechtes Fleisch gibt es nicht?

Gut, das mit der Berufsehre war wohl schon damals Auslegungssache. Denn schon seit jeher galt in Metzger-Kreisen offenbar der Grundsatz: Schlechtes Fleisch gibt es nicht. Es gibt nur Fleisch, das verarbeitet werden muss. Und so wurde schleimiges, müffelndes Fleisch schon damals nicht etwa entsorgt, sondern in würzige Marinade eingelegt. Und wenn das nicht mehr gegen den Verwesungsgeruch half, wurden die Fleischstücke gesammelt und - mit reichlich Gewürzen - zu Wurst verarbeitet.

Wer glaubt, in "Schweinebande" ginge es appetitlich zu, der wird enttäuscht werden. Denn das war bloß der Anfang. Sozusagen die kleineren Schummeleien innerhalb der Fleischbranche.

Wie wir mit den Kontrolleuren Katz und Maus spielte, das war schon großes Theater. [...] Da gibt es die bestens eingerichtete Welt der Vorschriften und Kontrollen [...]. Und da gibt es eine zweite, schmutzige, allein auf Gewinn ausgerichtete Welt, die eigentlich nicht sein darf - doch diese Welt ist Realität.
"Schweinebande! Der Fleischreport", S. 81-82.

Autor Franz Josef Voll hat in 46 Jahren Berufsleben schon einige Stationen rund um Fleisch durchlaufen. Erst als Lehrling in einer Metzgerei, später in einer großen Fleischerei. Dann wechselte er die Seiten und war in der Lebensmittelüberwachung tätig. Doch auch diese Arbeit konnte ihn nicht langfristig binden und so wurde er zunächst Berater für die Lebensmittelwirtschaft - und heuerte später im "Team Wallraff" an, um investigativ über die Hintergründe von Fleisch und Wurst zu recherchieren.

Keine Ethik und Moral - dafür jede Menge Ekel-Infos.

Wohlgemerkt: Dies ist kein Buch über Ethik und Moral. Dafür sei er nicht zuständig, schreibt Autor Franz Josef Voll. Vielleicht ist das Buch gerade deshalb umso spannender - und ekelerregender. Denn hier geht es nicht etwa um radikale Tierschützer, die man als wirr und fanatisch ablehnen kann. Es geht um eine Industrie, die offenbar den gammeligsten Dreck zu Würsten verarbeitet und den Fleischessern in Deutschland auftischt. Geschrieben von einem langjährigen Insider, der die Tricks kennt und offenbar auch häufig selbst angewendet hat.

"Es ist merkwürdig. Mit der räumlichen Entfernung scheint die Hemmschwelle zu sinken. Die Skrupel funktionieren offenbar nur auf kurze Distanz. Sobald der Kunde sich in einen anonymen Konsumenten verwandelt, sind die alten Spielregeln außer Kraft gesetzt, und plötzlich gelten zweierlei Maß: Im Laden das Maß des ehrbaren Metzgers, draußen das des gerissenen Geschäftsmanns."
"Schweinebande! Der Fleischreport", S. 49.

Als Metzgermeister ist der Autor Franz Josef Voll bestens mit den Machenschaften der Branche vertraut. Er berichtet von Metzgern, die noch die letzten Knochen aus der "Knochenecke" nach Fleisch abkratzten. Die Gammelfleisch kräftig würzten und als "Cevapcici" zu Wucherpreisen verkauften, statt es zu entsorgen. Er erklärt, wie die Industrie schließlich die Metzger dazu brachte, chemische Stabilisatoren zu verwenden, um Fleisch durch Wasser zu ersetzen. Und wie die Metzgereien schließlich dazu übergingen, selbst fast ausschließlich Industrieware zu verkaufen.

Die meisten Metzgereien verkaufen Industrieware.

Heute gebe es fast keine Metzgerei mehr, die noch selbst produziere, so sein Fazit. Der "Metzger nebenan" verkauft wahrscheinlich dieselbe Ware, wie die Fleischtheke im Supermarkt. Die Metzger-Zunft habe sich damit ihr eigenes Grab geschaufelt. Und die Industrie kann mit Chemie selbst Kot und Erbrochenes noch zu einigermaßen schmackhafter Wurst verwandeln.

Weil es nur noch ums Geld geht. Selbst Menschenleben stünden auf dem Spiel, wie der BSE-Skandal gezeigt habe. Und weil die Politik die Fleischindustrie regelrecht hofiere und allenfalls kleine Betriebe bestrafe.

Und das Amt für Lebensmittelüberwachung überwacht gar nichts, es erfüllt vielmehr seinen Zweck, wenn es Befürchtungen und Bedenken zerstreut; es ist zur Beruhigung der Bevölkerung da. Wir sind Witzfiguren. Pausenclowns. Und dementsprechend frustriert.
"Schweinebande! Der Fleischreport", S. 121, über die Tätigkeit als Lebensmittelkontrolleur.

"Schweinebande!" zeigt, dass es offenbar schon aus Respekt vor sich selbst besser ist, die Fleischindustrie weiträumig zu meiden. Und wenn man das Buch liest, stellt man sich unweigerlich die Frage, was wohl in den "Veggie"-Produkten der großen Fleisch-Konzerne enthalten ist.


Doch so ekelig die Hintergründe auch sind - das Buch ist spannend und fesselnd geschrieben und damit ein echter Lesetipp der Redaktion. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es einen als veganen Leser wieder einmal darin bestätigt, eine weise Ernährungs-Entscheidung getroffen zu haben. Und vielleicht auch deshalb, weil es einem so viel leichter fällt, die gelegentlichen, provokativen Kommentare seiner fleischessenden Mitmenschen wissend lächelnd zu ignorieren. Lasst's Euch einfach schmecken!

"Schweinebande! Der Fleischreport" von Franz Josef Voll ist im Ludwig-Verlag erschienen und kostet in Deutschland 16,99 Euro. Die ISBN lautet 9783453280878.

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4,3/5 Sterne (6 Bew.)
AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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